Flucht in Aktien!

Die Anleger fliehen aus Aktien – und rein in vermeintlich »sichere Häfen« wie deutsche Anleihen.

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boerse/dax-boerse-103.html

Ein drastischer Ölpreisverfall und Ängste vor einer globalen Rezession lassen die Anleger zu Wochenbeginn aus Aktien fliehen. Der Dax fällt zur Eröffnung um 7,4 Prozent auf 10.692 Punkte.

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boerse/dax-verlust-101.html

Die Angst vor einem weltweiten Konjunkturabschwung wegen der Coronavirus-Epidemie hat die Anleger an den europäischen Börsen aus Aktien fliehen lassen. Der deutsche Leitindex Dax sackte am Freitag um 3,4 Prozent auf 11 542 Punkte ab, der Mittelwerteindex M-Dax verlor 3,6 Prozent.

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/aktien-anleger-ergreifen-die-flucht-1.4834126

Nur drei Beispiele für den groben Unfug, den der Blätterwald online wie offline in diesen Tagen schreibt über die Vorgänge an den Börsen. Dient dieses alarmistische Geschreibe, so grundfalsch, wie es faktisch ist, irgendwelchen Interessen oder entstammt dieser Unfug, der eine völlig einseitige Bewegung von Anlegern in Scharen aus einem Investment (Aktien) hinein in ein anderes (z.B. Anleihen) suggeriert, bedauernswerter Unkenntnis der Redaktionen über die Abläufe an Börsen?

Evoziert werden damit womöglich Bilder von fliehenden Antilopenherden in Afrika und es wird damit unterschwellig unterstellt, dass sich an den Börsen angesichts der Kursstürze in der »Corona-Krise« Ähnliches abspielt.

Das ist aber komplett falsch — und dabei ist es ganz einfach!

Flucht AUS = Flucht IN!

Wenn an einer Börse zu einem bestimmten Zeitpunkt viele Anleger »fluchtartig« Aktien im Volumen X Stück verkaufen, dann GENAU und NUR dann, wenn gleichzeitig andere viele Anleger »fluchtartig« im selben Volumen X Aktien KAUFEN. Es muss sich dabei nicht unbedingt um dieselbe Zahl Anleger handeln, aber immer um dieselbe Anzahl Aktien!

Mit anderen Worten: Der Flucht AUS den Aktien steht immer gleichzeitig eine Flucht IN diese Aktien gegenüber. Kein Anleger kann Aktien verkaufen, wenn es keinen Käufer dafür gibt. Das ist wie mit einem Gebrauchtwagen. Den kann ich nur dann verkaufen/kaufen, wenn es zum selben Zeitpunkt einen Käufer/Verkäufer gibt.

Aktien werden immer zwischen Anlegern gehandelt. Den Preis regelt Angebot und Nachfrage.

Gerd Kommer (2015) schreibt dazu:

Jeder Verkauf (einer Assetklasse, Anm. d. Autors) ist ein Verkauf an einen neuen Eigentümer, also ein Kauf. Selbst wenn die Börse im »Mega-Crash« nach unten taumelt, sind genauso viele Käufer wie Verkäufer da. Ein »Rückzug« der Anleger (d.h. des Marktes) aus einem Wertpapier oder einer Asset-Klasse oder ein »Ausverkauf« kann genauso wenig existieren wie ein »Ansturm auf Apple-Aktien«, denn auf jeden »anstürmenden« Apple-Käufer kommt ein »wegstürmender« Apple-Verkäufer. Jedes Wertpapier muss jederzeit und überall einen Eigentümer haben. (…) Die Preisexplosion oder der Crash geschieht nicht, weil plötzlich alle kaufen oder alle verkaufen wollen, sondern — ganz banal — weil der Markt (also die Anleger, Anm. d. Autors) seine Einschätzung des Wertes des Papiers ändert. (…) Wenn Sie das nächste Mal von »Panikverkäufen an der Moskauer Börse« hören, wissen Sie nun, dass im gleichen Moment die exakt gleiche Zahl von »Panikkäufen« stattfand. Aber weil die Kurse gefallen sind, nennen es die lieben Journalisten Panikverkauf statt Panikkauf. Logik und Finanzjournalismus — nicht immer die besten Freunde.

Gerd Kommer (Frankfurt 2015), Souverän investieren mit Indexfonds & ETFs, 4. Auflage, S. 52f

Was nun?

Ganz einfach: Wer mit Aktien auf kurzfristige Kursgewinne setzt, also spekuliert, der hat im Moment wohl Pech gehabt. Oder dumm agiert.

Für den miserablen Verkaufserlös zahlt er (trotzdem) Kapitalertragssteuer und für den Verkauf selbst hat er womöglich Gebühren der depotführenden Bank bezahlt. Jetzt flattert sein Nervenkostüm, weil er darauf warten muss, nach der Krise den richtigen und besten Zeitpunkt abzupassen, wieder in die Aktien einzusteigen — diesen berüchtigten Zeitpunkt, den es bekanntlich nicht gibt. Dann zahlt er womöglich wieder Kaufgebühren und hat insgesamt einen herben realen Verlust eingefahren.

Wie bedauerlich.

Der langfristige Anleger, der in einem Horizont von Jahrzehnten denkt (10 Jahre und mehr, je länger, desto besser), behält seine Aktien und Fondsanteile. So lange er nichts verkauft, macht er keinen Verlust und zahlt auch keine Gebühren oder Steuern, mit Ausnahme von Kapitalerträgen aus Dividenden.

Er wartet einfach ruhig ab, und wenn es keinen endgültigen Totalzusammenbruch der großen Wirtschaftsblöcke gibt, der uns alle in vorzivilisatorische Zeiten zurückwirft (dann ist sowieso alles ziemlich egal), dann ist die Krise irgendwann ausgestanden, die Wirtschaften krabbeln aus der rezessiven Phase heraus, die Märkte erholen sich und die Börsenkurse steigen folgerichtig wieder. Ich jedenfalls sehe überhaupt keinen Grund, warum das nicht so sein sollte.

Ach ja, dem Langfristanleger bietet sich jetzt, beim Börsenschlingern, sogar die Möglichkeit, seine Bestände durch günstige Zukäufe aufzustocken.

Es ist am Ende doch besser und vernünftiger, zu denjenigen zu gehören, die IN Aktien fliehen, denn langfristig lohnt sich das einfach…


Kommentare

2 Antworten zu „Flucht in Aktien!“

  1. Danke für die Mühe. Ich verstehe die Mechanismen allerdings immer noch nicht. Du meinst, man müsse durchhalten oder die Lage sogar dazu nutzen, mehr von bestimmten Aktionen zu kaufen? Die Geduld oder die Nerven, um solchem Treiben zuzuschauen, werde ich mir nicht mehr aneignen. Ich vertraue diesem System kein Stück. Mich freut, dass so ein Crash-Guru wie Marc Friedrich (er hatte den schwarzen Montag von heute übrigens „vorhergesagt“) trotzdem nicht richtig mit seinen Weissagungen lag. Der Crash, der nun im Raum steht, hat immerhin andere Ursachen als die, die er und seine Kumpane vorhergesagt haben.

    1. Aktien sind Anteile von Unternehmen. Diese werden (ausschließlich) an den Börsen ausgegeben und gehandelt. Auch der sogenannte Direkthandel ist Börsenhandel. Das alles ist im Grunde völlig transparent und nachvollziehbar. Auch nicht allzu schwer zu verstehen. Es ist allerdings hilfreich, ein wenig über das Funktionieren von marktwirtschaftlichen Ökonomien zu wissen, um zu verstehen, wie erfolgreiche Unternehmen funktionieren und wie man solche (zumindest grob) einschätzt. Dann wird viel klarer, was Aktien an den Börsen wirklich sind.

      Allerdings gibt es einen unüberschaubaren Wust an Unsinn, Kaffeesatzleserei, Spekuliererei und Klugscheißerei, den man einfach ignorieren muss. Marc Friedrich und Kollegen mit ihrer Crash-Verschwörungsesoterik sollte man einfach links liegen lassen. Die verfolgen ausschließlich ihre ganz eigenen Geschäftsmodelle, verdienen viel Geld mit ihren Büchern, die mich nicht interessieren. Deren aktiv gemanagte Fonds (die sie natürlich gernstens zum Anlegen feilbieten) allerdings laufen nicht besonders gut. Meine paar Indexfonds „performen“ seit Jahren besser…

      Auch diese regelmäßigen kurzen Börsennachrichten im TV sollte man sich schenken, da wird üblicherweise sprachlich stark verquast nichts gesagt. Wenn ich da schon höre, dass der DAX gerade dies und das „macht“ und „reagiert“… der DAX macht gar nichts, der ist bloß etwas einfache Finanzmathematik zur Zusammenfassung der Börsennotationen und Entwicklungen der 30 Unternehmen, die er als Index zusammenfasst. Im Ergebnis eine ständig in Bewegung befindliche Index-Kennzahl, die den gerade ganz aktuellen Handelsstand an der Börse abbildet. Man kann aus dem Schlusskurs von heute Abend noch nicht einmal zuverlässig auf den Eröffnungskurs morgen früh schließen.

      Vorhersagbar ist tatsächlich gar nichts, Prognosen sind lediglich Ausdruck von Hoffnung, es gibt keinen Blick in eine berechenbare Zukunft. Auch aus der Vergangenheit lässt sich nichts sicher für die Marktentwicklungen der Zukunft schließen. Man kann lediglich beobachten, wie sich Volkswirtschaften langfristig entwickeln, wie Wachstum funktioniert, wie Unternehmen wirtschaften und wachsen (oder auch nicht…). Das Geschehen an den Börsen bildet das ab. Auch wenn sich inzwischen der Finanzwirtschaftssektor verselbstständigt hat, ist dieser am Ende auch ein ökonomischer Sektor in Volkswirtschaften, der denselben Regeln und Gesetzmäßigkeiten folgt.

      Es sind ja immer Menschen, die wirtschaftlich handeln, und das gilt sogar für den blitzschnellen Computerhandel, der einem das Börsengeschehen manchmal unheimlich erscheinen lässt.