Es ist soweit. Dreizehn Jahre nach »Avatar« (2009, Avatar – Aufbruch nach Pandora) hat James Cameron soeben die Fortsetzung »Avatar: The Way of Water« (2022) in die Kinos gebracht. Es ist dies der zweite Teil einer auf fünf Filme angelegten Storyline, deren folgende Teile absehbar in kürzerer Frist die Kinos erreichen dürften.
Ersten Kritikerstimmen zufolge dürfen wir ein weiteres opulentes, visuell faszinierendes Cameron’sches Meisterwerk erwarten, das filmtechnisch wiederum Maßstäbe verschieben dürfte. Er hat das ja immer wieder getan, von Aliens über The Abyss, vom Terminator zu Terminator 2 hin zu Titanic. Von seinen großartigen exploartiven Unternehmungen zu Schiffwracks der Vergangenheit ganz abgesehen.
Visuelles Erzählkino – Erzählen durch Bewegung
Dieser Begriff fiel mir einstmals in einem Gespräch in Freundesrunde ein. Camerons Filme erzählen ihre Geschichten in fortlaufender Bewegung, es gibt bei ihm kaum statische Bilder. Die Film-Bewegung folgt den handelnden Figuren und erzeugt Dynamik von Zeit und Raum. Selbst seine Schnittfolgen dienen fast immer der Vermittlung von fortschreitender Handlung, sie sind immer dynamisch motiviert. Statische Szenen, oft dialogisch, manchmal monologisch, markieren oftmals wesentliche Wendepunkte, und auch sie inszenieren das Vergehen von Zeit.
Das Handeln seiner Protagonisten ist stets geprägt von Emotionalität, geführt von einem verlässlichen moralischen »Radar«, sie haben immer eine Haltung, einen Standort in ihrer Welt – der Konflikt, den die Filmstory bereithält, bringt diesen Standort ins Wanken.
In der Filmsprache Camerons führt das dazu, dass seine Figuren oft schablonenhaft erscheinen, eindimensional. Es gibt zentrale Momente in seinen Filmen, wo Figuren ihren Standpunkt in der Welt, ihre Haltung verändern, sie korrigieren ihren moralischen Kompass, was regelmäßig dazu führt, dass sie aktiv in den dynamischen Verlauf der Handlung eingreifen – den Lauf der Dinge verändern.
Doch Cameron bettet das immer in den dynamischen Fluss seiner Erzählung ein, seine Figuren sind und bleiben Teil der sich ständig fortbewegenden Erzählung. Es gibt sozusagen keine psychologische Entwicklung der Figuren um ihrer selbst willen – in diesem Sinn bleiben sie gewissermaßen Schablonen. Eine psychologisch scharf beobachtende Coming-of-Age-Story sollte man von Cameron nicht erwarten, sein Kino funktioniert anders.
Aber ich schweife ab…
Das Kino und ich. Und dieser Film
Ich werde mir »Avatar: The Way of Water« nicht im Kino anschauen. Ich habe seit Herbst 1999 unzählige Kinofilme gesehen, aber eben nicht mehr in Kinos. Meine Abneigung gegen Kinos hat wohl mehrere Ursachen, aber die mag ich an dieser Stelle nicht weiter thematisieren. Um einen Film genießen zu können, um mich faszinieren zu lassen von großartigen Filmen, brauche ich keine große Leinwand und keinen raumfüllenden Multikanalsound.
Bei diesem Film aber habe ich eine seltsame Unklarheit vorweg: Ich weiß irgendwie nicht (mehr), ob und wie ich mich auf ihn freuen soll. Es sind dreizehn Jahre vergangen. Ich fürchte, der Film wird erscheinen, als wäre er mit fortgeschrittener visueller Technik vielleicht 2013 in die Kinos gekommen und nicht 2022. Es erscheint mir wie eine Diskrepanz zwischen dem, was der Film an Faszination wahrscheinlich bieten wird und dem, was ich womöglich ungerechtfertigter Weise von ihm erwarte.
Aber andererseits: Irgendwann in nicht allzuferner Zukunft wird »Avatar: The Way of Water« für’s Privatkino erscheinen, und dann werde ich mich wohl einfach gemütlich auf dem Sofa darauf einlassen. Immerhin gehört doch James Cameron zu meinen absoluten Lieblings-Filmemachern.
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