Early Adopter – Late Adopter

Seit einiger Zeit schon umschwirrt mich ein Thema, das mich mehr und mehr nachdenklich stimmt. Umso mehr, als inzwischen ja überall die Spack Spatzen von den Dächern nach mehr Digitalisierung pfeifen.

Es geht darum, inwieweit wir als Gesellschaft in der Lage sind, digitalisierte Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen- sofern es sie überhaupt gibt. Und wie viele Menschen dabei womöglich abgehängt werden, da sie nicht über die notwendigen Voraussetzungen verfügen – wollen.

Im Rahmen der Diffusionsforschung (ja, das kannte ich bisher auch noch nicht) kategorisiert man Bevölkerungen in vier Stufen, was z.B. die Adaption neuer technischer Errungenschaften angeht:

Nach den sogenannten »Innovatoren«, die Entwicklungen initiieren, folgen die »Early Adopter« (frühzeitige Anwender), die frühe Mehrheit, die späte Mehrheit und schließlich die »Late Adopter« (Nachzügler).

Persönlich

Was Computer, Internet und moderne Kommunikationsmittel nebst medialer Nutzung angeht, war ich in der Vergangenheit eigentlich immer irgendwo innerhalb der »frühen Mehrheit« zu finden. Manchmal wohl eher im späten Zeitraum derselben.

Meinen ersten PC hatte ich im Frühjahr 1990, es war ein Auslaufmodell der XT-Serie (Intel 8088 CPU) – zu dieser Zeit war schon der »486er«(Intel 80486) Top-Stand der Dinge. Meine engsten Freunde hatten längst »ATs« bzw. »286er« und meist eine intensive C64- und/oder Atari-ST-Vorgeschichte.

Mein erster Internetzugang führte im Herbst 1995 noch über CompuServe (seit 1989 öffentlich für alle als MicroNET verfügbar, zuvor nur für Geschäftsanwender), gefolgt von America Online, ebenfalls nach einem anders lautenden Vorläufer, und GermanyNet.

Meine erste (selbstgebaute!) Homepage ging 1998 online, das war auch nicht wirklich früh, aber viele Leute fragten mich damals, was das ist und wozu man das braucht.

Zur Erinnerung:

Am 30.04.1993 entließen Tim Berners-Lee und Mitarbeiter am CERN das »World Wide Web« in die breite Öffentlichkeit, Marc Andreessen steuerte hierfür den Webbrowser »Mosaic«, 1994 »Netscape« bei.

Mein erstes Mobiltelefon nahm ich etwa Ende 1999 in Betrieb, mein erstes Smartphone im Herbst 2013. Das kam vom Händler noch mit Android 4.irgendwas.

Zur Erinnerung:

Das iPhone von Apple erschien 2007.

Was mir auffällt

Und was ich bedauerlich finde

Mir begegnen beruflich doch eine ganze Menge Menschen, die unsere Archiv- oder musealen Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollen und auf den Hinweis, dass sowohl diese als auch jene problemlos und ohne Termin über unsere Homepage in Anspruch genommen bzw. nachgesehen werden können, sagen, dass sie keinen Internetzugang / keine E-Mail / keinen PC haben.

Menschen ungefähr in meiner Altersgruppe zwischen rund 60 bis 70 Jahren.

Ich bin mir meiner Einschätzung ziemlich sicher, dass mir dabei bisher kaum jemand begegnet ist, der die genannten Errungenschaften aus irgendwelchen ideologischen Gründen ablehnt. Nein, das klingt eigentlich immer so wie »das hab ich halt nicht…« »Ich bin ja schon xy Jahre alt…«

Die obigen Ausführungen habe ich aus dem Grund geschrieben, weil ich feststellen muss, dass ich das sehr befremdlich finde. Denn ich sehe mich nicht als »Early Adopter« und damit außerhalb des durchschnittlichen Bereichs.

Als ich mit dem ersten PC anfing, war ich 30. Ich hatte mit 35 Internet. Für mich ist das ewig her, beide Technologien sind für mich wie Telefon, Farbfernsehen und Autos mit 3-Punkt-Gurt, Airbags und ABS.

Ich habe wirklich Schwierigkeiten, mir vorzustellen, wie andere Menschen etwa meines Alters all das ein halbes Leben lang an sich vorüberziehen lassen konnten. Ich habe vor 20 Jahren Menschen über 60 kennengelernt, die sich beides, PC wie Internet, mit Freude angeeignet haben.

Wenn ich die o.g. Entschuldigungen höre, muss ich inzwischen manchmal innerlich schlucken, um nicht zu fragen:

Sind Sie mit der Pferdedroschke hierher gefahren oder mit dem eigenen Pferd geritten?

Ich fürchte wirklich, solche Menschen sind bald abgehängt von allen zeitgemäßen Entwicklungen, nicht als »Late Adopter«, sondern als »Non Adopter«.

Ach, nochmal, was mich angeht…

(Nur, um noch ein SD-Bild unterzubringen…)

In Sachen »KI« bin ich auch eher gerade noch einer aus der »frühen Mehrheit«. Chat- bzw. Text-KIs setze ich nicht ein, weil ich keinen Grund sehe, warum ich das sollte. Sähe ich einen, würde ich es tun.

Bilderzeugende KIs – ich schrieb davon – allerdings nutze ich inzwischen aus reinem Spaß schon. Deswegen zum Abschluss noch eines der jüngst erzeugten Exponate, erzeugt in Kumpanei meiner diffusen Idee und der »Interpretation« von IllustriousXL:

Absatz-Trenner mit Raute und Pfeilen, blau-grau

Kommentare

Eine Antwort zu „Early Adopter – Late Adopter“

  1. Schöner Text, Boris. Ich würde mich zu den frühen, manchmal späten Mehrheiten zählen. Oft bekomme ich Innovationen, auch bahnbrechende, erst mit Verspätung mit, ich nehme sie eher verzögert wahr. Viele sind bis heute an mir vorbeigezogen. Allein die Nutzung sozialer Medien (selbst Facebook ist keine Ausnahme) findet in meiner Altersgruppe oder genauer meiner Bekannten in meiner Altersgruppe doch sehr spärlich statt. Als ich ungefähr zur gleichen Zeit wie du meinen ersten wirklichen 286-er PC (vorher war da nur so etwas wie C64 und Schneider PC) gekauft habe, war ich hochfasziniert von den Möglichkeiten, die ich damit bekam. Dabei waren diese doch im Vergleich so krass beschränkt, dass man heute darüber schmunzeln muss. Mit Multitasking war da noch nix (außer einem speicherresidenten Tool, dessen Namen ich leider vergessen habe und an dem ich viel Freude hatte). Wollte man einen Text schreiben und eben mal was rechnen, mussste man den Rechner runterfahren und neu booten. Herrlich!

    Damals habe ich meine Rechner noch selbst zusammengebaut. Ich habe mir die Teile in einem Großhandel beschafft und dann mit viel Elan und Aufregung montiert und konfiguriert. Das war die schönste Zeit. Heute begnüge ich mich mit dem, was mir hingestellt (wie gekauft) wird und bin eigentlich damit zufrieden. Was heute alles geht, ist schon irre.

    Dass wir bei dem Gesamtkomplex Digitalisierung vielleicht dazu neigen, insbesondere ältere Bürger*innen zu vergessen, liegt in der Natur der Sache. Ich möchte das nicht abtun, aber ein wenig »mitmachen« ist immer gefragt. Ich hoffe, dass diejenigen, die das nicht machen, nette Nachbarn haben, die ihnen gelegentlich aushelfen. Ich helfe meinen Nachbarn gerne. Sie fragen mich, wenn es um technische Probleme geht, durchaus häufig. Meistens kann ich helfen. Ich gebe mir jedenfalls Mühe. So kann es ja auch funktionieren. Im Übrigen empfehle ich unseren Bürokraten (Bürokratieteufel eingeschlossen), dass sie in ihren Konzepten die »Verweigerer« berücksichtigen werden. Das muss einfach sein. Selbst, wenn es die Einführung langsamer macht.

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