Sinnspruch über Wut

Wut über irgendein unliebsames Ereignis löst nicht Antisemitismus aus — Wut löst höchstens aus, dass man Antisemitismus äußert!

Und was man äußert, schriftlich wie mündlich, hat man vorher gedacht. Man hat es zuvor schon im Kopf gehabt.


Antisemitismus hat man nicht mal so eben, z.B. in einer persönlich prekären Situation, und danach dann plötzlich nicht mehr. Auch nicht mit siebzehn in der elften Klasse.

Antisemitismus resultiert aus einer (erworbenen) Weltanschauung, aus einem rassistischen Menschenbild.


Ich bin übrigens selbst Sitzenbleiber. Wut darüber mag ich seinerzeit ebenfalls gehabt haben. Diese richtete sich jedoch schlimmstenfalls gegen den Verursacher des Übels: mich selbst. Da mir persönlich immer schon Antisemitismus fremd war – so etwas passte nie und passt auch heute nicht in mein Welt- und Menschenbild – hätte ich niemals solch ein Flugblatt ausdenken, schreiben und gar noch verteilen können.

Egal von wessen Aiwangers verdorbenem geistigem Dunst dieser Dreck wirklich stammt, es gehört eine gute Menge antisemitischer Ressentiments dazu, solch eine Aktion zu verzapfen. Auch mit siebzehn im Gymnasium. Das ist entschieden mehr und heftiger, als mal eben einen judenfeindlichen Spruch abzusondern. (Was sicher vielen von uns schon ‚passiert‘ ist, auch ich werde mich davon nicht selbst freisprechen. Am Ende sind wir in Deutschland mehr oder minder alle im Dunstkreis antisemitischer Ressentiments aufgewachsen.)


Kommentare

Eine Antwort zu „Sinnspruch über Wut“

  1. Was Aiwanger abgezogen und hat wie er auf die Veröffentlichung reagiert hat, ist nicht nicht ok. Du hast deine Sichtweise erklärt. Ich kann mich voll anschließen. Was mich aber sehr stört, ist, dass keiner danach zu fragen scheint, ob es ok ist, wenn die Presse ihre Leute aussendet und unmittelbar vor einer Wahl das Resultat der „Recherche“ verkündet. Abgesehen davon legt man doch sonst so viel Wert auf die Einhaltung gewisser Standards. Aber dem Volksverhetzer scheint das in einem solchen Fall auch völlig am Allerwertesten vorbeizugehen. Nicht gut.