Ja, es geht hier in meinem Blögchen erstmals um geschlechtergerechte Sprache. Und zwar vorrangig aus dem Grund, weil die rechte (in Teilen homophobe) Politik vorrangig der Unionsparteien (und beklatscht von verbleibenden Oppsitionsparteien) im Moment versucht, mit Verboten geschlechtergerechter Sprachformen im öffentlichen Sprachverkehr Pflöcke im Sinne einer rechten, restaurativen Sprachnormung einzuschlagen. Dem gesellschaftlichen Wandel zu Geschlechtergleich- und -viefalt soll auf gar keinen Fall der sprachöffentliche Wandel parallellaufen.
Nun, so sind reaktionär restaurative, sich in eine bloß idyllisierte nationalgesellschaftliche Vergangenheit leitkulturell zurücksehnende Parteien wie die Merz-Linnemannsche CDU eben gestrickt, man sieht es wohl auf praktisch allen politischen Feldern. Von der CSU muss ich sicher gar nicht erst anfangen.
Gut, dass das alles öffentlich breit diskutiert wird, gar keine Frage. Allerdings denke ich, dass die Auswirkungen in der sprachlichen Wirklichkeit geringer sein werden, als viele befürchten. Warum wird das so sein?
Ich bin ziemlich sicher, dass dort, wo gesetzliche Vorgaben bzw. Verbote überhaupt möglich sind, auf der kleinsten Flamme gekocht wird. Der öffentliche und amtliche Sektor nämlich ist der aus sprachkultureller Sicht absolut marginale Sektor. Sprache amtlicher Dokumente und Verlautbarungen wie formale öffentliche Dokumente (z.B. Schulabschluss- und Examensarbeiten) sind sprachkulturell weitgehend bedeutungs- und auch wertlos. Nach Erfüllung ihres Zwecks sind sie im Wesentlichen Altpapier.
Was tun?
Auf lange Sicht wird der gesellschaftlich motivierte und ‚motorisierte‘ Sprachwandel über diese Marginalien hinweggehen. Denn er geht einher mit einem massiven gesellschaftlichen Wandel, dem allerdings zur Zeit ein rechter, restaurativer (und damit schlicht retardierter) Kulturkampf entgegenzutreten versucht. Versuche, eine gesellschaftliche »Leitkultur« zu etablieren, ein Fantasiegebilde, ein substanzfreies Etwas, dem außerhalb reaktionärer Salonzirkel keinerlei Wirklichkeit zukommt.
Beharrungsbemühungen dieser Art waren und sind immer ein vorübergehendes Zeitphänomen. Gesellschaftlicher Wandel – und damit oft Sprachwandel – geschieht, weil und wenn eine Gesellschaft ihn als Entwicklung in der Zeit durchführt.
Und daran kann jeder teilhaben und sollte es auch. Es ist oft eine Generationenfrage, und dazu hätte ich ein paar Vorschläge.
Wie also jetzt?
Ich selbst habe keine Kinder, also imaginiere ich:
Habt ihr Kinder kurz vor dem Abitur? Und ihr selbst verwendet geschlechtergerechte Sprache in einer der üblich gewordenen Schriftformen? Und eure Kinder tun/möchten das auch? Und ihr lebt z.B. in Hessen?
Eure Kinder schreiben ihre Abiturklausuren einfach in der in Hessen gesetzlich festgelegten Form. Scheißt einfach drauf, WTF? Was ist eine Abiturklausur wert? Nach dem Erreichen des Abiturzeugnisses genau nichts mehr. Bedeutungslos.
Just forget it!
Wichtig ist, was eure Kinder in der Folgezeit machen – sie sind Teil und Mitbetreiber des gesellschaftlichen Wandels und des damit einhergehenden Sprachwandels. Das alleine zählt.
Dasselbe sehe ich für Examensarbeiten. Damit erreicht man einen akademischen Grad, mehr nicht. Diese Arbeiten sind lediglich intra-universitär öffentlich.
Aber wie schreibt ihr später, solltet ihr akademisch tätig sein, eure wissenschaftlichen Texte, die in Aufsatz- oder Buchform veröffentlicht werden. Eben so, wie es den Sprachgewohnheiten in der akademischen Community und eurem persönlichen Stil entspricht.
Andernfalls, nicht akademisch, aber literarisch? Oder nichts davon? Vielleicht schreibt ihr nur kurze Texte ins Internet rein oder in ‚Sozialen Medien‘ oder in einem Blog. Wie auch immer, ihr schreibt so, wie euch der Schnabel bzw. der Schreibstift gewachsen ist. Das alleine zählt. Und es wirkt. Auch wenn es etwas dauert.
Aber trotzdem!
Andererseits sollte der rechte Kulturkampf gegen einen Sprach- und Gesellschaftswandel, praktisch einmütig ausgehend von drei bis vier Parteien, dauerhaft argumentativ bekämpft werden — aber ihr tut das ja bereits und ihr habt allerdings die besseren Argumente. Und ihr habt vor allem die Zeit auf eurer Seite. Ich sehe das überwiegend positiv, und das trotz meines üblicherweise gepflegten Pessimismus.
Also macht einfach weiter, denn ihr seid die Protagonisten – ein paar widerständige restaurative Antagonisten gibt es immer.
In eigener Sache
Ich hole etwas weiter aus. Wandel findet statt. Auch auf der persönlichen Ebene, und das ist wichtig und auch gut so. Es ist noch nicht lange her, da war ich ziemlich skeptisch gegenüber Versuchen, gesellschaftlichen Wandel auch auf der sprachlichen Ebene einzufordern. Die Bewegung zugunsten einer geschlechterneutralen Sprache erschien mir ein bisschen wie ein Stellvertreterkampf, z.T. gegen Windmühlen.
Natürlich wurde die geschlechtliche Diversität unserer Gesellschaft in der Zeit immer offenkundiger – und damit ebenfalls die einhergehenden lange etablierten Geschlechter-Ungerechtigkeiten. Das an sich ist schon bizarr genug, und wer das leugnet, guckt schlicht nicht richtig hin. Aber auf der syntaktischen Ebene der deutschen Genera?
Ein Teil meiner einstigen studentischen Daseinsform als generativer Linguist legte mir nahe zu denken, dass die starke Präsens des generischen Maskulinums im Deutschen als rein syntaktisches Phänomen seine Ursprünge irgendwo in den Wirren der indogermanischen Frühzeit dieser Sprachfamilie haben mochte. Wie dem auch immer sei, ein anderer Teil meiner einstigen studentischen Daseinsform als sprachlich orientierter Philosoph, der u.a. die Theorie der Sprechakte (Austin, Searle) mindestens interessiert zur Kenntnis genommen hatte, legte mir die Erkenntnis nahe, dass Sprache mehr ist als bedeutungsvolle Ausdrücke in syntaktischen Konstrukten.
Wer spricht oder schreibt, handelt. Und sprachliches Handeln findet statt in gesellschaftlichem Kontext. Sprachliche Ausdrücke, in jedem Aspekt, haben Aussage und Wirkung. Aussage und Wirkung sind nicht verbindlich durch die sprachlichen Ausdrücke festgelegt.
Auf solche Weise gesehen, spielt es überhaupt keine Rolle, woher die starke Präsenz des generischen Maskulinums im Deutschen kommt. Sie ist da, es gibt sie. Aber es spielt eine Rolle, wie sie gelesen bzw. gehört und verstanden und interpretiert wird.
Und wenn, wie in unserer Zeit, gesellschaftlicher Wandel ganz natürlich Wandel in unserem Sprachhandeln, unserem Sprachgebrauch nach sich zieht, dann spielt es ebenfalls keine Rolle, inwiefern dieser Wandel sich gemäß syntaktischer, semantischer oder lautlicher Regelhaftigkeit der Sprache vollzieht. Er vollzieht sich so, wie er von den Handelnden vollzogen wird. Das mag gelegentlich holprig, sperrig oder auch lachhaft klingen bzw. aussehen, aber das ist eben gar nicht der Punkt und nicht wichtig.
Jetzt ich (so)
Ich werde schauen, beginnend jetzt und in Zukunft, dass ich für mich einen sprachlichen Weg finde, geschlechtergerechten Ausdrücken hier im Blog Platz einzuräumen und sie (hoffentlich) selbstverständlich werden zu lassen. Schreibend ist das für mich Neuland und ich bin noch nicht sicher, welche Formen ich wählen werde. Da scheint es ja eine gewisse Variationsbreite zu geben nebst überblicksartigen Darstellungen der Möglichkeiten, und ich hätte da natürlich gerne etwas Konsistenz in der Form.
Verzeiht mir also angelegentlich die eine oder andere Unzulänglichkeit in meiner Umsetzung. Der Weg ist auch in diesem Fall sicher mindestens Teil des Ziels.
Schlussbemerkt
Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei sehr zahlreichen Vertreter*innen der drei bis vier rechten Parteien1, die mit ihrem beharrlichen restaurativen und reaktionären Krampf gegen gesellschaftliche Veränderungen einen absurden sprachpolitischen Popanz aufgebaut haben, dem sie zur Zeit mit geradezu hochnotpeinlichen gesetzlichen Verbotsmaßnahmen Geltung zu verschaffen suchen.
Dieses durch und durch lächerliche Wirken hat entscheidenden Anteil daran, dass ich mich jetzt dazu entschlossen habe, selbst dem Weg des gesellschaftlichen und sprachlichen Wandels zu folgen und der geschlechtsgerecht neutralen Sprachform schreibend Raum zu bereiten.
- Ok, namentlich hauptsächlich und einmütig AFD, CDU, CSU und in Teilen FDP ↩︎
Schreibe einen Kommentar