…als solcher ist ja eigentlich aufzuteilen in zwei. Nämlich in einen sekundären Fachkräftemangel und einen primären. Der sekundäre ist in der Regel unmittelbare Folge des primären Fachkräftemangels, wobei äußere Umstände wie die Corona-Pandemie, die demografische Entwicklung und der Ukrainekrieg mit seinen höchst seltsamen Folgen für Preisentwicklungen (die mit ihm sicher gelegentlich in Wirkungszusammenhang stehen, oft aber sicher gar nicht) katalysierende Wirkung haben.
Der sekundäre Fachkräftemangel ist derjenige, der nahezu ausschließlich von Arbeitgeberseite, deren Verbänden, der Politik und den Medien beklagt wird. Bei den Fachkräften auf Seiten der beiden Erstgenannten – Arbeitgebern und deren Verbänden – ist allerdings der primäre Fachkräftemangel zu suchen. An vielen entscheidenden Schaltstellen bei beiden Instanzen sind sie nämlich ebenfalls nicht zu finden: die dringend benötigten Fachkräfte.
Das ewige Klagelied – aus dem nichts folgt
Die aktuelle Situation, schaut man zum Beispiel in die Branchen der Luftfahrt und der Gastronomie, ist nur scheinbar unmittelbare Folge der momentanen vielfältigen Krisensituationen. Die tatsächliche Ursache des vielfältigen Arbeitskräftemangels und auch des ebenfalls wortreich beklagten Mangels an neu ausgebildeten – und neu auszubildenden – Arbeitskräften liegt vielmehr im jahrzehntelangen Abwracken des Sozialgefüges und des Arbeitsmarktes durch rücksichtslose neoliberale/marktradikale Politik begründet. In langen Zeiten des Arbeitskräfteüberhangs, also hoher Arbeitslosigkeit, hat man Arbeitskräfte-Kahlschlag betrieben und Menschen ökonomisch quasi aussortiert und/oder in den prekären, extra dafür geschaffenen Lohndumping-Arbeitsmarkt abgeschoben. Zahlreiche untere und mittlere Unternehmensebenen hat man auf den ebenfalls politisch geebneten Weg des Subunternehmer-Sumpfes geschickt, die zweite Ebene des Lohndumpings. Flugkapitäne wurden bei Androhung des Rausschmisses zu Billiglohn-Dienstleistern abgeschoben, dito für nahezu alle anderen Kräfte im Personentransportgewerbe. Nicht viel anders beim Bodenpersonal.
Die Gastronomie lebt geradezu von ungeregelter Beschäftigung und prekär situierten Hilfskräften. Wenn man die in einer Krisenzeit »freistellt«, suchen die sich ganz selbstverständlich einen anderen Job und kehren nicht mehr zurück. Von irgendetwas müssen sie ja schließlich leben. Und ein Rausschmiss aus einem sowieso miserabel bezahlten Job – soviel Geheimnis möchte ich schon verraten – kündigt gleichzeitig und meist unwiederbringlich ein Vertrauensverhältnis. Dass die solcherart »Jobbefreiten« nicht mehr zurückkommen, ist nur zu verständlich.
Das allgemeine Wehklagen über die unsolidarisch Weggelaufenen (Sorry: Rausgeschmissenen…) führt dann zu händeringendem Ruf seitens der Verbände (Beispiel Dehoga) nach besserer Entlohnung und besseren Arbeitsbedingungen für die Gastro-Hilfskräfte.
Ja denn: ZAHLT halt einfach BESSER und BIETET einfach BESSERE Arbeitsbedingungen, anstatt Saison für Saison dasselbe Klagelied anzustimmen. TUT es einfach anstatt darauf zu warten, dass der Staat bzw. die Allgemeinheit eure Nöte monetär begleicht. Ganz getreu der tatsächlichen, aber unausgesprochenen neoliberalen Doktrin, dass der Staat »kurz gehalten« werden muss, damit er sein ganzes Bemühen auf die Beseitigung der Nöte (Kosten…, notwendige Invastitionen…, Löhne…) der Unternehmer richten kann.
Ganz im Sinne von: Gewinne privatisieren (steuerbegünstigt dank FDP), Kosten sozialisieren.
Übrigens…
Ihr Arbeitgeber sagt jetzt natürlich empört, dass höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen nicht möglich sind, weil der Kunde oder Konsument ja billigste Warenangebote und Dienstleistungen verlangt.
Aber das ist eben eine der brav gepflegten »Lebenslügen« des Neoliberalismus/Marktradikalismus unserer Prägung, dass wir in einer nachfrageorientierten Ökonomie lebten. Das ist schlicht falsch:
Die Anbieter bestimmen im ständigen Preiskampf die Preise, die Kunden wählen lediglich meist das günstigste Angebot aus. Das Dilemma entsteht jedoch immer auf der preisgebenen Seite. Es hat nie eine Forderung eines Konsumenten nach einem superbilligen Schnitzel gegeben, am Anfang stand immer, in jedem Fall, das Angebot desselben, im Kampf eines Anbieters gegen einen anderen.
Fachkräfte…
Alle die zur Zeit drängenden ökomomischen Probleme sind im Grunde seit mehreren Jahrzehnten hausgemacht, die aktuellen Krisen legen sie offen dar und verstärken sie lediglich.
Dies nicht zu erkennen und außer Klagen und Fordern nichts Substanzielles dagegen zu unternehmen (sic!), stattdessen Erwartungen an Politik und Konsumenten zu formulieren, ist schlicht Folge eines eklatanten Fachkräftemangels in Führungspositionen der Wirtschaft und deren Verbänden sowie in der Politik. Das ist der primäre Fachkräftemangel.
Rettung aus dem Ausland?
Auf diesen vermeintlich billigen Ausweg scheinen viele Branchen mit groß angekündigter Unterstützung durch die Politik zu setzen. Ist ja auch einfach verständlich: Da man auf Arbeitgeberseite nicht bereit ist, gemäß den Gesetzmäßigkeiten einer Marktwirtschaft (Angebot und Nachfrage bestimmen die Preise) in Zeiten geringerer Nachfrage (Arbeitnehmer) gegenüber hohem Arbeitsbedarf (Arbeitsplätze) monetär und bedingungsmäßig attraktive Angebote zu machen, versucht man auf erhofftermaßen »günstige« Arbeitskräfte auszuweichen. Die Politik hat man hierzu folgsam im Boot sitzen mit stolz verkündeten Initiativen, für die notleidende Flugbranche unbürokratisch und schnell rund 2000 türkische Arbeitskräfte ins Land zu holen.
Gleich drei Minister/innen haben sich da ins Zeug gelegt und sich medienwirksam präsentiert: Bundesinnenministerin Nancy Faser, Verkehrsminister Volker Wissing und Arbeitsminister Hubertus Heil.
Allerdings… das energische »Wir packen es an!« bleibt weitgehend leere Hülse. Medienwirksam hat es jedenfalls Aufmerksamkeit erregt und den energischen Willen bezeugt, passiert ist bisher jedoch… NICHTS.
Ok, das stimmt so nicht.
Einem (in Zahlen: 1) Visumantrag einer möglichen türkischen Arbeitskraft wurde bisher stattgegeben, 44 weitere Anträge liegen den Behörden vor. Also 45 Anträge auf der Habenseite, keine (maximal eine) von 2000 angekündigten Arbeitskräften auf den Flughäfen im Einsatz, jetzt, wo das Chaos groß ist und die Ferienzeit langsam den Ende zugeht.
Die ganze Aktion ist eine in bedauernswerter Ahnungs- und Hilflosigkeit geborene lächerliche Luftnummer, die gar nicht angetan sein kann, irgendein Problem zu lösen. Die Probleme sind hausgemacht, wie ich oben stark verkürzt beschrieb. Und sie können nur »in-house« gelöst werden.
Sicher wäre es das wert, einmal sehr ausführlich und fundierter, als ich es vermag, aufgeschlüsselt zu werden. Vielleicht ist das ja schon ohne meine Kenntnisnahme geschehen.
Jedenfalls fürchte ich, dass dieser ganze Schlamassel und die kopflose Untätigkeit diesem gegenüber in Wirtschaft und Politik bei gleichzeitigem wortreichem Aktionismus (der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopfe her…) unsere Gesellschaft zunehmend in eine wirklich bedenkliche Lage bringt…
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