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Webdesign, persönlich

WordPress ist in Version 5.9 (Joséphine) angekommen, und zusammen mit dem mitgelieferten Theme »Twenty Twenty-Two« wird »Full Site Editing« (FSE) mit dieser Version zum ersten Mal in nahezu vollem Umfang möglich. Das ist heute – aber wie war das eigentlich früher… ganz früher? Vor…

Gutenberg

Block Themes

themes.json

Templates

Global Styles

Site Editor

Zeit für mich für einen kurzen Rückblick auf meine ganz persönliche Webdesign-Geschichte… also: Es waren einmal:

Die 90er

Es war 1995, als ich meinen ersten Internetzugang bestellte und bekam. Compuserve hieß der Dienstanbieter. Internet war so richtig noch nicht, meist trieb ich mich im Kosmos dieses Dienstes herum und begann, diese frühe Onlinewelt zu erkunden.

1996 schließlich begann ich das WorldWideWeb wirklich zu entdecken, und bald war Compuserve nicht mehr en vogue. Nach einem kurzen Anstecher zu AOL landete ich bei Germany.net, meinem ersten richtigen Internetprovider.

Nicht lange und ich wollte selbst eine solche Homepage, eine Website haben.

Ich begann HTML zu lernen, das muss etwa Anfang 1997 gewesen sein. Das ging schnell, denn es war eigentlich ganz einfach. Stylesheets mit CSS kamen hinzu. HTML sorgte für die Struktur, CSS für das Design.

Es dauerte nicht lange und ich durfte (musste) den »Browserkrieg« zwischen Microsoft und Netscape, später Mozilla und Firefox miterleben. Webdesign wurde zu einer Sache der Akribie und Präzision, damit Seiten auf allen Browsern gleichermaßen funktionierten und ansprechend aussahen.

Wer, wie ich, etwas auf sich hielt, schrieb Webstandard-konformes (X)HTML und CSS2, und zwar von Hand in einem vernünftigen Quelltext-Editor.

Die 2000er am Horizont

Andere griffen zu inzwischen entwickelten WYSIWYG-Editoren (What You See Is What You Get) und bauten Webseiten grafisch zusammen, ohne sich größer um das HTML und CSS zu kümmern. Das führte sehr oft zu schön gedachten Sites, die aber nur in einem Browsermodell gut aussahen und funktionierten – man nannte das selbstbewusst »Optimiert für <Browser der Wahl>«, dabei war es Mangelwirtschaft an Kompetenz und Desinteresse an wirklich gut entwickelten Websites.

Das erste Jahrzehnt

Gleich zu Beginn sorgte etwas Neues im Web für Furore und Aufmerksamkeit:

WEBLOGS (oder: BLOGS)

Leute begannen, Tagebücher im Web zu schreiben, über Persönliches, über Berufliches, über ihre Frezeitbeschäftigungen und bevorzugten Unternehmungen im und außerhalb des großen Netzes.

Weblog-Software wurde entwickelt, Webdesigner hatten ein neues, fast unermesslich großes Beschäftigungsfeld, der Blog-Hype begann.

WordPress

Anfang 2004 erschien die erste stabile Version von WordPress. Ich bin sicher, niemand hatte zu diesem Zeitpunkt auch nur entfernt eine Ahnung, wohin diese Entwicklung bis heute führen sollte.

Viele sprangen auf den Zug auf und begannen zu bloggen, eine Bewegung, die bis heute anhält, auch wenn der Hype längst vorbei ist.

Webdesigner begannen, Blog-Themes zu entwickeln. Ich selbst war ab April 2004 – so ich mich erinnere – dabei, nach einem kurzen Versuch mit einem älteren Blogsystem. Schon bald hatte ich das Standard-Theme (»Kubrick«) an meine Vorstellungen angepasst und nicht allzulange danach hatte ich drei WordPress-Blogs in Betrieb, jedes mit einem zweckmäßig angepassten Theme. Kubrick war kaum noch zu erkennen.

Standardkonformität war immer noch aktuell, zumindest in Webentwickler-Kreisen, die klassisches Webdesign-Handwerk betrieben. War auf sich hielt, beherrschte neben (X)HTML, CSS2 auch PHP und Javascript und hatte reichlich Durchblick im Dschungel des WordPress-Themecodes.

Die 10er

Das neue Jahrzehnt brachte meinen langsamen Abschied vom Webdesign, nach ein paar Jahren beruflichen Webdesigns nebst Netzwerken im ersten Jahrzehnt war ich beruflich an einem ganz anderen Ort gelandet.

Das Bloggen blieb, wenn auch zeitweise mit deutlich geringerer Frequenz. WordPress hatte konsequent einen Weg eingeschlagen, der mir höchst sympathisch war: Die größtmögliche Abtrennung des Themes von der funktionellen Codebasis.

Ich ließ zwei meiner alten Blogs sterben zugunsten meines Namens-Blogs (das der geneigte Leser hiermit vor sich hat) – das war 2014.

Inzwischen kristallisiert sich immer deutlicher heraus, dass WordPress auf einem sehr interessanten Weg ist:

Codebasis und Theme

Die klare Trennung von Codebasis und Theme schuf die Möglichkeit von Child Themes, die dem Blogger (oder Entwickler) die Möglichkeit gibt, sogar die ursprüngliche Theme-Basis unangetastet zu lassen. Das eigene gestaltete Theme sitzt quasi neben der Basis und kann diese nicht kompromittieren. Die gesamte Code- und Themebasis kann darüberhinaus jederzeit upgedatet werden, ohne das eigene Child Theme zu berühren.

Gestaltung auf der Oberfläche

Die weiteren Schritte auf diesem Weg führten schließlich zum Gutenberg-Editor, der das Themedesign auf die Oberfläche des Blogs holte. Blöcke und Templates wurden zu den maßgeblichen Designelementen, die Gestaltung geschieht im WYSIWYG-Modus. Design und Inhalte kommen sich immer näher.

Die 20er – Full Site Editing (FSE)

Full Site Editing schließlich wird Design und Inhalt miteinander verschmelzen. Jeder Inhalt wird innerhalb des Gutenberg-Editors in eine ihm gemäße Form gebracht werden können – das ist der Prospekt für die Zukunft und die Aufgabe für die Webentwickler heute.

Der Kreis schließt sich…

…allerdingst nicht ganz so, wie ich es je gedacht hätte – und das freut mich um so mehr:

Webdesign heute ist zumindest bei einem Blogsystem wie WordPress nicht mehr unbedingt HTML, CSS und PHP. Natürlich kann man Themes entwickeln, die über zusätzliche Funktionalität verfügen, die WordPress selbst nicht bietet, und hierfür Komponenten hinzu programmieren. Auch kann man mehr oder weniger tief in die WordPress-Möglichkeiten des FSE, Global Styles u.a. einsteigen, so dass auch in Zukunft sicher genügend Raum und Feld für kommerzielle Blogdienstleister bleibt.

Mir als geneigtem Hobby-Webdesigner jedenfalls ist inzwischen wieder die Lust am Gestalten gekommen, mein kleines Blögchen wird sich sicher immer wieder verändern – und ich werde dazu praktisch kein HTML, PHP und CSS mehr benötigen.

Ich finde das großartig!


Kommentare

4 Antworten zu „Webdesign, persönlich“

  1. Hi Boris,

    wow, ein toller Bericht über deinen Werdegang, der meinem in großen Teilen entspricht – wobei ich jedoch nicht so tief in Javascript, CSS2, PHP eingestiegen bin. In Zeiten weitgehend statischer Seiten war das nicht zwingend nötig.

    Mit Aufkommen der Blogs bin ich dann nach und nach aus dem DIY ausgestiegen, habe zwar noch die Optik selbst bestimmt, das dann aber von einem befreundeten Theme-Designer umsetzen lassen. Einer „vom alten Schlag“, der kein Theme nur anpasst, sondern von Grund auf selbst erstellt hat. Das Diary-Theme ist dafür sehr schnell und enthält Details, die aktuell mit Block-Themes / FSE (noch?) nicht umsetzbar wären.

    Deshalb herrscht derzeit „beobachtender Stillstand“, ab und an experimentiere ich mit einem Block-Theme auf einer Testinstallation, bin damit aber noch nicht weit gekommen.

    Was mich wundert an deinem Bericht ist deine positive Einstellung gegenüber dem Schwenk von WordPress. Erst schreibst du:

    „WordPress hatte konsequent einen Weg eingeschlagen, der mir höchst sympathisch war: Die größtmögliche Abtrennung des Themes von der funktionellen Codebasis.“

    Aber genau das wird ja mit FSE krass konterkariert. Erst lobst du noch die ChildThemes, die die Trennung noch konsequent fortführten, dann findest du es ok, dass Form und Inhalt wieder zusammen geführt werden.

    Gerade dazu gibt es massenhaft Kritik, sogar so weitgehend, dass sich ein Forck abgespalten hat, der den Weg nicht mitgeht: ClassicPress.

    Mein Entwickler hat auch keinen Bock auf die Gutenberg-Ära und schlägt mir den Wechsel auf ClassicPress vor. Dem stehe ich momentan noch kritisch gegenüber, denn ich möchte nicht „die Zukunft in die Tonne treten“ – warte also erst einmal ab. 5.9 bietet ja erstmalig ein grafisches Interface zur feineren Gestaltung von Blocks, global und einzeln – ein Fortschritt, der hoffen lässt, dass auch Menschen ohne Kenntnisse von React, Webpack etc. künftig mitspielen können.

    1. ClassicPress habe ich schon getestet. Das fühlt sich wie Vergangenheit an. Man glaubt ja nicht wie man sich an Gutenberg gewöhnen kann. Und dann kommt TinyMCE! Wenn ich es richtig weiß, hatte ich dieses CMS keine Woche am Laufen.

  2. Ich bin auf meinem Weg weg vom Webdesign irgendwie MIT WordPress dort angekommen, wo dieses heute steht. Ich war ja schon komplett „raus“ aus der Geschichte, HTML5 und CSS3 sind Fremdwörter für mich.

    Insofern ist es natürlich ein kompletter Sinneswandel, den ich vollzogen habe. Ich fühle mich ein bisschen wie ein Ex-Webdesigner, der das Thema für sich erledigt hat, aber einige Jahre später mit der WordPress-Entwicklung einen neuen Einstieg vollzieht. Aber es betrifft für mich nur noch mein eigenes Blog und die Möglichkeiten, die ich damit habe.

  3. Was soll ich sagen, mein HTML-Weg war ähnlich. David Siegel war mein damaliger Design-Gott. Keine Seite über 70KB und die Seiten mussten „Killer Web Sites“ sein. https://de.wikipedia.org/wiki/David_Siegel_(Webdesigner)

    Geglückt ist mir das nie. WordPress war dann auch bei mir von den Anfängen mit dem Theme Kubrik erste Wahl, bis auf einen kurzen Ausflug in Textpattern ist es das bis heute.

    Mir wird WP inzwischen ein bisschen zu groß, vielleicht steige ich irgendwann mal auf eine leichtere und kleinere Alternative um. Bis dahin bin ich gespannt, wie sich das bei Dir hier entwickelt.