Wechsel-Bier

Glaabsbräu, zwei Sorten Bier

Ich bin kein besonders großer und schon gar kein besonders anspruchsvoller Biertrinker. War ich auch nie. Obwohl, besonders anspruchsvoll bin ich vielleicht doch. Aber anders, als es die teuer ausgetüftelten, aber inhaltsleeren Werbesprüche der Markenbier-Industrie mir glauben, weismachen zu können.

Der Hintergrund

»Meine« Biere der letzten Jahre waren Pfungstädter Biere. Aber die Brauerei in Pfungstadt, in der Nähe von Darmstadt, stellt 2023 den Betrieb ein. Die Gründe wurden in den vergangenen Monaten des Öfteren hier in der Region Südhessen diskutiert (im o.a. verlinkten Artikel angesprochen). Ich will gar nicht auf die Details eingehen, das ist für mich nicht der Punkt, vielmehr:

Es verschwindet damit eine weitere regionale Brauereri mit langer Tradition, und damit wächst der Anteil der überregionalen oder internationalen Bierindustrie mit ihren sogenannten Markenbieren (oder Biermarken), die so tun , als ob sie eine einstmals große Tradition regionalen Brauhandwerks am Blühen halten.

Plörre-Markt

Weltweit sind rund 60 Prozent des Biermarktes in der Hand von 5 Großkonzernen. Die versorgen große Teile der biertrinkenden Welt mit Massenplörre, die meist mit intensivem Marketinggebimmel in die Märkte gedrückt werden. Bierbrauen ist was anderes.

In Deutschland übernimmt das bestimmende Vertriebsgeschäft weitgehend der großindustrielle Biervermarkter »Radeberger Gruppe», der mehr als 60 Biermarken im Portfolio hat. Neben anderen Getränken und Vertriebs-Fachmärkten. Die meisten Biermarken entstammen ehemals bedeutenden regionalen Brauereien, die in den vergangenen Jahrzehnten aus den verschiedensten Gründen nicht mehr existenzfähig waren – ich vermute, oftmals aus Gründen des selbstverschuldeten Fachkräftemangels in den Führungsetagen. Die ehemaligen Brauereien bleiben als »Standorte« der Produktion oftmals erhalten. Aber nicht immer, wie der Fall der ehemaligen Binding-Brauerei in Frankfurt zeigt. Nach dem Abwickeln der Henninger-Brauerei verschwindet (Henninger Biere wurde seinerzeit zu Binding Bier, dann zu Radeberger Gruppen-Bier) in Bälde auch die zweite einstmals bedeutende Frankfurter Brauerei Binding. Möglicherweise bleibt die Marke Binding ja erhalten, aber das spielt dann keine Rolle mehr.

Mit den traditionsreichen Markennamen wird schließlich innerhalb solcher Konzernstrukturen mit wohlformulierten Qualitätsversprechungen beim Biertrinker hausieren gegangen. Irgendwo habe ich mal den Begriff »Fernsehbiere« gehört für diese intensiv beworbenen Markenprodukte, die lediglich gemäß konzernseitig formulierten Zielgruppenvorgaben produziert werden.

Wenn man in den vergangenen Jahren mal gelegentlichen Randmeldungen zugehört hat, scheint dieses Markengeschäft längst nicht mehr gut zu funktionieren. Zumal immer mehr Bier-Limonaden fabriziert werden, weil man sich gezwungen sieht, jedwede Zielgruppen-Nische irgendwie mit vermarktungsfähigen Produkten zu besetzen.

Bierbrauen ist was anderes.

Regionale Brauereien

Als Gegenbewegung zur gesichtslosen Zielgruppenplörre-Produktion gibt es wohl seit den 70er-Jahren in den USA eine sogenannte Craft-Beer-Bewegung. Auch in Deutschland hat diese Bewegung längst Fuß gefasst – schaut man heute in die Bierregale größerer Super- oder Getränkemärkte, stellt man diese Entwicklung klar fest.

Es ist inzwischen eine Unzahl regionaler (und lokaler) handwerklicher Brauereibetriebe entstanden, die mit z.T. ganz kleinen Mitarbeiterstäben gute Biere brauen. Die Traditionen zu pflegen versuchen und Braukunst mit nicht-großindustriellen Mitteln betreiben.

Das halte ich für eine gute und wichtige Entwicklung. Allerdings führt das auch dazu, dass Bier (in kleinen Kreisen) eine Bedeutung erlangt und eine Beschäftigung erfordert, die gar nicht der Rolle entspricht, die Bier in meinem Konsumleben spielt. Bier bekommt eine Rolle eines hochdifferenziert betrachtbaren und bewertbaren Qualitätsproduktes, vergleichbar Weinen. Es gibt Bier-Sommeliers und andere mehr oder minder seltsame Erscheinungen, die auch auf dem Sektor der Qualitätsweine seit Jahrzehnten Bedeutung haben. Dies und die vergleichsweise geringen Produktionmengen führen schließlich dazu, dass man am Regal entsprechende Hochpreis-Angaben vorfindet.

Auch dort bin ich nicht Zielgruppe…

Den Kreis schließen

Für mich galt es erst einmal, die entstehende Lücke zu schließen und einen regionalen Bierbrauer zu finden, der mit einer gewissen Tradition in die Gegenwart gelangt ist und auch heute noch »seine« Biere braut. Biere, die man regional kennt und schätzt.

Der in Seligenstadt am Main seit 1744 angesiedelte Familienbetrieb Glaabsbräu GmbH könnte mein Kandidat der Wahl sein. Ich werde in den nächsten Tagen Bierproben machen…