Der erste Schritt ist getan!

Der Parteivorsitzende der CDU, Friedrich Merz, hat in die (vorgebliche) Brandmauer gegen die AFD die erste Reihe von Türchen eingesetzt – für Möglichkeiten der Kooperation von CDU und AFD auf kommunaler Ebene. Der aufgeregte Hühnerstall im CDU-Umfeld dementiert sogleich lautstark und mit markigen Formulierungen jeglichen Prospekt zukünftiger Kooperationen mit der AFD – stellt sich damit aber bloß scheinbar gegen den Parteivorsitzenden.

Es sind tatsächlich nicht die Bundesregierung und schon gar nicht die Grünen, die die AFD in der letzten Zeit stark machen. Es sind die Unionsparteien, die offenbar immer noch glauben, dass man auf den im Verein mit der einschlägigen Schmierpresse unablässig laut trommelnd besetzen Politikthemen nur dieselben minderbemittelten Parolen röhren muss (wo man bei Gelegenheit noch nicht einmal vor Lügen und Fake-News Halt macht), um die an die AFD abtrünnigen Wähler zurückzuholen.

Dumm nur – und höchst verräterisch -, dass die Union das genau weiß…

Allerdings – die Agenda gegen erneuerbare Energien, gegen energische Bestrebungen zu konsequentem Klimaschutz und pro fossiler Energien samt dem unbeirrbaren Festhalten an der Kernkraft sind Unions-Eigengewächse.

Die Grünen wurden kürzlich (siehe auch hier) im Verein mit der CSU und den bayerischen Freien Wählern (deren Vorsitzender die geeignete rechtspopulistische Formulierung hierfür fand) zum politischen Hauptgegner erklärt. Sachlich allerdings heißt der Gegner der Rechten eigentlich Klimaschutz, und dabei stehen sich Union und AFD sehr viel näher als Union und Grüne – oder SPD.

Die Merz’sche Neuausrichtung der CDU geht seit seiner Amtsübernahme kontinuierlich in die Richtung einer strammen Rechts-Ausrichtung seiner Partei. Auch in Sachen Migrationspolitik sowie dem Themenkomplex Innere Sicherheit sind die Schnittmengen zwischen AFD und Merz’scher CDU substanziell, nicht graduell.

Die kommunale Ebene stellt den Anfang dar, hier wird der Boden zukünftiger rechter Politik bereitet.

Es gilt längst nicht mehr: »Wehret den Anfängen!«.

Update um 18:20

Inzwischen hat Friedrich Merz eine … »Klarstellung« nachgelegt.

Allerdings war an seinen Aussagen vom Sonntag gar nichts unklar, so dass daran irgendetwas klargestellt werden könnte. Er hat sich im Gegenteil am Sonntag ganz klar und differenziert ausgedrückt. Und seine jetzige »Klarstellung« rückt davon überhaupt nicht ab. Das Gerede von einer »Beschlusslage« der CDU ist irrelevant und stellt überhaupt nichts klar. By the way: »Beschlusslagen« lassen sich bei Bedarf schnell ändern (oder »klarstellen« ;-). Das gebietet schlicht der gewohnte politische Opportunismus, gerade im rechten Spektrum.

Ich denke vielmehr, die Botschaft vom Sonntag ist als Signal angekommen. Was jetzt folgt, sind die üblichen rhetorischen Rückzugsgefechte. Mich würde nicht wundern, wenn in Kürze der Vorwurf einer »Kampagne« gegen die Kritiker ausgepackt wird.

Update am 25.07.2023

Die von mir erwartete Dreistigkeit der Woche ließ nicht lange auf sich warten:

Sie kam vom Hessischen CDU-Regierungschef Boris Rhein, der in der Merz’schen Angelegenheit von »Missverständnissen« und »Fehlinterpretationen« spricht.

In politisch üblicher Manier schreibt Rhein also unmissverständlich die Schuld am ausgelösten Disput den Rezipienten zu. Noch hat er nicht von einer »Kampagne« gesprochen, aber er liegt mit »wildem Streit« schon nah dran. Eine herbeifantasierte Kampagne braucht noch etwas Luft zur weiteren rhetorischen Eskalation, falls die schmutzige Angelegenheit sich nicht schnell genug unter den Teppich kehren lässt.

Das warten wir einfach mal ab…

Ebenso unmissverständlich wie Rheins dreister Versuch der Schuldumkehr ist jedoch die Äußerung von Merz im Sommerinterview – die Darlegung der Möglichkeit (ja fast die Erkenntnis der zukünftigen möglichen Notwendigkeit) der Kooperation mit der AFD UNTER KLAREM BEZUG AUF DIE BESCHLUSSLAGE DER CDU.

Und das hat Merz m.E. bislang auch überhaupt nicht zurückgenommen. Er hat diese Beschlusslage tatsächlich selbst differenzierend konkretisiert und interpretiert und am Montag lediglich auf die ursprüngliche klare Beschlusslage seiner Partei rekurriert. Unter Auslassung der sonntäglichen Differenzierung und Konkretisierung.

Es gibt also in der solcherart (bewusst? War das schlicht ein Versuchsballon?) ausgelösten Debatte – vorrangig sogar in den Kreisen seiner eigenen Partei – absolut keinerlei Missverständnisse oder gar Fehlinterpretationen.


Kommentare

7 Antworten zu „Der erste Schritt ist getan!“

  1. Merz mit seinem Rechts-blinken ist unsäglich, keine Frage! Schön, dass er mal Widerspruch aus der eigenen Partei kassiert hat!
    Was mir aber fehlt, ist tatsächlich eine Differenzierung des Begriffs „Zusammenarbeit“ auf kommunaler Ebene. Kann man da überhaupt „nicht“ zusammenarbeiten und was bedeutet das konkret? So ein Gemeinderat mit Bürgermeister ist ja meist ein sehr kleines Gremium, dessen Aufgaben gesetzlich geregelt sind. Mir fehlt momentan die Fantasie, wie da eine „Nicht-Zusammenarbeit“ aussehen könnte.

  2. Oje, Boris. Du glaubst echt, dass die dilettantische Politik unserer Regierung nicht für die furchtbaren Umfragewerte der AfD verantwortlich wäre? Wie weit kann ideologische Verblendung gehen, frage ich mich.

    Natürlich laufen die Konservativen (Union, Freie Wähler und AfD) gegen diese Politik Sturm. Dass die einschlägige Presse inkl. der ganzen schäbigen Rechtsblogs vorn dabei ist, ist angesichts dieser Fehler darf man sich ebenfalls nicht wundern.

    Wenn die Leute nicht überzeugt, sondern mit Gesetzen und Dekreten gezwungen werden, ihr Leben zu verändern, darf man gerade bei Konservativen keine Zustimmung erwarten. Die Art ist darüber hinaus verräterisch. Sie entblößt ein Demokratieverständnis, dass es mich schaudern lässt.

    Heute erst las ich in der TAZ, dass Deutschland mehr und mehr Strom importiert. Man fasst die Gründe ein wenig anders als in liberalen oder konservativen Medien. Aber es ist doch wiederum bezeichnend, wie insbesondere die Grünen versuchen, die Wirklichkeit ihren politischen Dogmen unterzuordnen. Die PMIs (speziell die der Industrie) sind für Deutschland miserable. Wir verlieren im internationalen Vergleich massiv. Dagegen setzt diese Regierung genau: NICHTS!

    Der Industriestrompreis, den Habeck (vermutlich aufgrund des Drucks insbesondere aus der chemischen Industrie) gern etablieren würde (bis 2030) ist nicht im Ansatz eine Lösung. Wir haben uns vor den Karren der Ukraine gespannt und geben Milliarden von Euros für einen Stellvertreterkrieg der USA aus, der nicht unserer ist. Die Folgen müssen auch von Familien in Deutschland getragen werden. Für alles mögliche (Entwicklungshilfe für besonders von der Klimakrise betroffenen Länder) ist Geld auch Geld da, für eine ordentliche Familienpolitik aber nicht. Und das, obwohl wir ein demografisches Problem erster Güte im Land haben.

    Die Nazis werden sich selbst entzaubern, wenn sie Verantwortung übernehmen. Ich glaube, keiner wird mehr verhindern können, dass dies geschehen wird. Schließlich lassen sich schon jetzt -auch auf Länderebene- keine regierungsfähigen Koalitionen ohne AfD mehr bilden. Das sieht auf der kommunalen Ebene noch anders aus.

    Tut mir leid, wenn mein Text so diametral gegen alles geht, was du offenbar über die Lage denkst.

  3. Boris (Autor)

    Die Frage habe ich mir auch gestellt und heute früh irgendwo, ich weiß nicht mehr, wo und von wem, von einer möglichen Strategie gelesen, wie man ohne Kooperation mit der AFD in Kreistagen o.ä. umgehen kann:

    Man stimmt auf gar keinen Fall pro AFD-Anträge.
    Falls ein Antrag eine sinnvolle Angelegenheit betrifft, die man selbst befürworten würde, enthält man sich.
    Bei Ablehnung stellt man einen vergleichbaren Antrag bei nächster Gelegenheit selbst und formuliert und begründet ihn auch ganz dezidiert als eigenen Antrag.

    Wichtig dabei scheint mir, dass man sich auf gar keinen Fall auf irgendwelche Diskussionen mit der AFD einlässt. Dazu gehört m.E. auch, dass man Redebeiträge der AFD in Parlamenten und Kreistagen ohne irgendwelche Aufregungen durchlaufen lässt. No comment, keine Empörung, kein Widerspruch. Diesen Wieseln einfach keinen Raum geben, wo sie sich publikumswirksam aufblasen können.

    1. Es wäre schön, wenn es so ginge. Aber du kennst doch die Menschen. Natürlich wird es immer welche geben, die dieses Gesülze begeistert bzw. anspricht. Ich habe in einem langen Artikel von der Art und Weise geschrieben, in der die AfD und ihre Leute Memes und Hetztexte durch die Welt schicken. Mir kommt es so vor, dass die immer mehr werden und vor allem, dass die zustimmenden Kommentare in der Überzahl sind. Das ist schlimm und macht andererseits deutlich, dass alle „Strategien“, die bisher gegen diese Leute ausprobiert wurden, fehlgeschlagen sind. Wenn man es doch nur so lösen könnte, wie du schreibst. Ignorieren, keine Reaktionen. Aber die Formel funktioniert halt nicht. Nicht einmal die Medien, die doch von Profis gemanagt werden, schaffen eine Neutralität bzw. ignorieren die auf Krawall angelegte Öffentlichkeitsarbeit dieser Partei.

      Wir müssten in dazu in der Lage sein, sich selbst zu überführen. So dass alle Leute sehen, was diese angebliche Alternative alles nicht nicht.

      1. Boris (Autor)

        Naja, bisher hat man lediglich so reagiert, dass man wie das Hündchen jedem provozierenden Stöckchen nachgerannt ist, das die AFD rausgehauen hat. Genau deswegen machen die das ja und treiben die anderen schaulustig vor sich her.

        In ein paar Kommunalparlamenten, zufällig z.B. gerade hier in Frankfurt, nimmt man den anderen, von mir zitierten Weg. Die AFD provoziert gelegentlich, stellt ziemlich häufig irgendwelche Anträge, und keiner regt sich darüber auf. Zurkenntnisnahme und/oder Ablehnung, nächster Tagesordnungspunkt. Die politischen Streitereien zwischen den Fraktionen von Regierung und Opposition liegen woanders und das nicht zu knapp — aber auch dabei bleibt die AFD außen vor.

        Funktioniert gut, es ist diesbezüglich ziemlich Ruhe im Stadtparlament, so gut wie kein Gepöbel, und die AFD dümpelt bei 4,4 Prozent und wird öffentlich praktisch nicht wahrgenommen. Zuvor hatten sie fast doppelt soviele Prozente und tauchten in der öffentlichen Wahrnehmung auch kaum auf.

        Man spielt nicht mit den Schmuddelkindern.

        Auch übrigens die CDU in Frankfurt nicht. Leider ist das im Land (Hessen) etwas weniger der Fall und im Bund schon gar nicht. Hier versuchen Merz und Konsorten krampfhaft die Themen der AFD selbst zu besetzen, bis hin in die fast immer sinnfreie Fundamentalkritik an allem, was die Bundesregierung verzapft. Im Irrglauben, dass das die wesentlichen Themen sind, die anstehen. Bis hin zu den (nachweisbaren) Lügen der Springerpresse, die man (nachweisbar) alarmistisch nachplappert.

        Die Union versucht, die AFD damit quasi zu umarmen und solchermaßen politisch einzufangen und sich die abtrünnigen Wähler zurückzuholen.

        Genau diese Methode hat schon einmal, vor rund neunzig Jahren, nicht funktioniert. Damals sind die Vorgänger der Unionsparteien damit gescheitert. Was uns das beschert hat, ist hinlänglich bekannt.

        Man spielt nicht mit den Schmuddelkindern!

  4. @Boris: Frankfurt macht es offenbar richtig gut!

    Übrigens passt dein wiederholtes Zitat der Degenhardt-Zeile „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ leider so gar nicht auf die AFD – jedenfalls dann nicht, wenn man sich an das Lied erinnert, das einen völlig anderen Tenor hat:

    https://www.youtube.com/watch?v=bGhJbr7DMmg

    Vermutlich wäre die AFD sehr einverstanden damit, mit den „Schmuddelkindern“ in diesem Lied gleichgesetzt zu werden!

    1. Boris (Autor)

      Möglicherweise habe ich das Schmuddelkinder-Zitat zu sehr als sinnbildhaft verstanden, das es im Grunde doch nicht ist.

      Es sollte klar sein, was ich meine, aber mir fällt im Moment kein geeigneter Spruch dafür ein…